Interview 2: Eigentlich ist alles in Ordnung


Die Interviewpartnerin ist engagierte Großmutter, Pensionistin und geringfügig Angestellte

Wie Sie sich entschieden haben, Therapie zu beginnen, was war für Sie der Auslöser damals?

Weil es mir ganz schlecht gegangen ist, also, jeden Tag und ich habe schon nicht mehr gewusst, wie ich das machen soll und dann habe ich mir gedacht, ich muss das einfach probieren und der Therapeut oder die Therapeutin hilft mir dann ganz sicher.

Und dieser Schritt vom Wissen „Mir geht es schlecht und das kann mir helfen“ zum „Ich greif jetzt wirklich zum Hörer" und ruf, in dem Fall bei mir, an, war das ein schwieriger Schritt?

Schon, ja!

Ja, können Sie beschreiben, was das Schwierige daran war?

Ja, weil man sein Innerstes und seine Sachen erzählen soll und dann weiß man nicht, ob man dem vertrauen kann und wie man das am besten bringt und wie der reagiert, und man kommt sich halt blöd vor.

Mhm, und trotzdem haben Sie es geschafft.

Ja, genau, weil es mir eben schlecht gegangen ist und ich wollte das nicht mehr, da hab ich mir gedacht, irgendetwas muss ich tun, es bleibt mir nichts übrig, ich kann es ja versuchen.

Also mit „Versuch“ hat das dann funktioniert?

Genau, ja!

Wenn Sie dieses Gefühl, oder die anfänglichen Schwierigkeiten jetzt vergleichen mit dem, wie Sie dann tatsächlich da gesessen sind das erste Mal, war das dann so, „jetzt weiß ich nicht, was ich sagen soll, jetzt kann ich nicht vertrauen“ oder...

Das war dann weg. Ich sehe Sie als Person, die so ruhig und angenehm ist, da kann das eigentlich nur gut werden, hab ich mir gedacht. (ich lächle)

Sie haben das gefühlt dann, dass es Ihnen gar nicht schwerfällt zu sprechen…?

Ja, es war dann gar nicht so schlimm, wie man sich das vorstellt.

Das ist schön.

Ja, für mich auf alle Fälle. (Lacht)

Für mich auch…..auf jeden Fall. Mit dieser Erfahrung, die Sie gemacht haben, von der Überwindung und dem dann-hier-sein, was würden Sie jemandem sagen, der am Anfang steht?

Also es auf alle Fälle versuchen, weil es wird sicher besser und ohne, ohne glaube ich nicht, dass man das schafft, alleine, das glaube ich nicht. Es tut einfach gut, mit jemandem zu reden, darum bin ich ja noch immer bei Ihnen, weil es gibt auch andere Probleme.

Das war eigentlich schon das, was ich fragen wollte. Am Anfang hatten Sie einen speziellen Grund, es gab da in der Arbeit eine Situation und die Motivation, warum Sie hier sind, die kann sich ja auch ändern, jetzt ist das in der Arbeit eigentlich gar kein Thema mehr, es hat sich bei Ihnen von einem akuten, arbeitsbedingten Tief verwandelt in, wie würden Sie das beschreiben?

Irgendwie hab ich das Gefühl, Sie können mir das ausformulieren, was ich fühle, ich kann das dann besser bringen, ohne jemanden zu verletzen, ich weiß dann, wie ich über die Probleme reden kann, in der Familie oder in der Arbeit. Dass jeder weiß, das sind Gefühle, die von mir kommen, über die ich rede und ich meine es nicht böse.

Sie treten anders für sich ein.

Ja, das ist super.

Sie haben erzählt von einem Gefühl im Bauch, das sich jetzt in den letzten Therapiestunden interessanterweise verlagert hat zu einem Gefühl beim...Herz...

Herz, ja.

Haben Sie eine Idee, was dieses Herzgefühl sagen könnte?

Hm, nein, eigentlich gar nicht. Eigentlich könnte ich mich ja wohl fühlen und fühle mich aber nicht so wohl….oder hat es wirklich mit den Menschen zu tun, die in letzter Zeit verstorben sind, oder wie es meiner Freundin nicht so gut gegangen ist, ich habe wirklich keine Idee….hm... oder ist es, weil ich eben jetzt in Pension bin. Eigentlich ist alles in Ordnung, aber ich finde es leider nicht.

Das ist also ein Thema, wo wir dran bleiben, da gibt es Unentdecktes.

Ja, leider, aber wir werden es schon finden...

Sie sind da zuversichtlich?

Oja!

Eine Frage möchte ich noch stellen. Die Tatsache, dass Sie hier sind, Sie gehen ja recht offen damit um, wie Sie mir erzählen, und reden darüber auch mit Leuten. Ist es für sie nichts Unangenehmes zu erzählen, „ich gehe in Therapie“?

Nein, gar nicht. Weil ich finde, da kann einem geholfen werden und vielleicht kann ich damit anderen auch helfen, wenn ich sage, ich gehe dorthin und das ist so und so. Dann braucht der andere vielleicht nicht solche Ängste haben...

Ja, oder so eine Scheu.

Ja, eine Scheu. Im Gegenteil, es ist herrlich!

Für manche ist das auch so das Thema, wenn ich das mache, heißt das vielleicht „ich bin verrückt“ oder „ich habe mein Leben nicht mehr im Griff“. Fühlt sich das für Sie so an?

Nein, fühlt sich jetzt gar nicht mehr so an. Am Anfang hab ich mir das auch gedacht, da wollt ich es nicht so wirklich sagen, aber jetzt ist mir das eigentlich egal, weil es wird ja mir geholfen. Und es gibt so viele andere, wo man es gar nicht glaubt, die das haben und denen kann ich vielleicht damit helfen…

Also, es ist nicht mehr so ein Tabu da.

Nein, überhaupt nicht, nein. Das haben ja wirklich viele und das sieht man ja von außen nicht.

Danke für Ihre Offenheit und dass Sie sich bereit erklärt haben zu diesem Interview!

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